E. Babel, Die alte preußische Armee vor 1806. Ihre Zusammensetzung und ihr Wesen. Oldenburg o. J.

Abschrift. Wird fortgesetzt.

Einleitung

Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen. Schiller.

Die Wahrheit dieses Dichterwortes hat auch die preußische Armee erfahren.

Es war am 14. Oktober 1806, da vollzog sich das Geschick, da unterlag die ruhmreiche, stolze preußische Armee, das Heer Friedrichs des Großen, dem Genie Napoleons und der Übermacht seiner Völkerscharen bei Jena und Auerstädt. Und nun folgte ein vernichtender Schlag dem anderen. Nur wenige Truppenteile überlebten diese Tage tiefer Schmach. Der König von Preußen löste alle jene früher so stolzen Regimenter, welche in eine Kapitulation verwickelt waren, auf. Auch die wenigen bestehen bleibenden Truppenteile erhielten andere Namen. Es erstand ein neues preußisches Heer, das bald die Schande mit seinem Blute tilgte und durch neue Ruhmestaten dem preußischen Namen Achtung und Ehre wieder erwarb. Fallen ist keine Schande, sagt ein Sprichwort, aber Liegenbleiben. Nun, Preußen hat sich wieder erhoben aus eigener Kraft. Es war zwar gelähmt, aber nicht gebrochen. Und heut steht unser Heer wieder da, ebenso, vielleicht noch mehr geachtet wie früher. Den Fehler zu rasten und zu rosten, den hat es bisher vermieden. Es ruht nicht aus auf dem wohl erworbenen Lorbeer. Stets Arbeit und die Fürsorge des Königs halten die preußischen Waffen blank und scharf.

Historische Entwicklung

Die Geschichte ist eine gute Lehrmeisterin. Ihr Studium zeigt uns, wie man frühere Fehler vermeiden kann. Daher dürfte es sich lohnen einmal zu vergleichen Preußens Heer vor 1806 und das der Gegenwart und sich zu erinnern, wie das alte Heer entsprechend seiner Zeit im Anfang des 19.Jahrhunderts ausgesehen hat.

Im Mittelalter und bis in den dreißigjährigen Krieg hinein waren stehende Truppenteile nicht vorhanden. Nach Bedarf wurden Regimenter errichtet. Der Landesherr erteilte hierzu einem erprobten Führer ein Patent. Bald erklang die Werbetrommel und die Landsknechte "die frommen Landsknecht" eilten herbei. Zehn Fähnlein oder Kumpanien zählte meist das Regiment. Jede wurde geführt von einem Hauptmann, der einen wackeren Leutnant und einen kühnen Fähndrich als Offiziere zur Seite hatte. 3 Sergeanten oder Feldwebel, 3 Landpassaten, ein Fourier, ein Korporal der Gefreiten, eine Anzahl weitere Gefreite, der Profoß, ein bis drei "närrischer Tambours"., zugleich Spaßmacher, Feldscherer und Hurenweibel, meist auch ein oder zwei Querpfeifer traten hinzu. Etwa 100 Arkebusierer oder Musketierer und 200 Spieße, später immer mehr Musketierer und weniger Spieße, füllten die Reihen. War der Feldzug beendet, lief das Kriegsvolk auseinander und zog, anderen Dienst suchend, oft bettelnd und auch raubend, durch die Lande.

Das sang man das alte Lied:

"Der Krieg hat ein Loch. Was fangen wir frommen Landsknecht an?"

Nur kleine Leibwachen blieben ständig beisammen. Seit dem Kurfürsten Georg Wilhelm 1619 - 1640 aber standen in Brandenburg stets Truppen unter den Fahnen, doch von sehr wechselnder Stärke. Da gab es Leibgarden, Trabanten, Leibdragoner und Küchendragoner, letztere zum Schutz des fürstlichen Haushalts, besonders auf Reisen, Regimenter zu Fuß und Regimenter zu Pferde. Das jetzige Grenadier-Regiment König Friedrich der Große (3. Ostpreußisches) Nr. 4 kann seine Geschichte bis 1626 zurück verfolgen. Auerrdem wurden im Kriegsfalle die Milizen in den Städten und die Wibranzen auf dem Lande als Landwehr zur Landesverteidigung aufgeboten. Spieße und Sensen, Heugabeln und Morgensterne waren ihre Waffen. Mit Erbitterung focht meist das gequälte zum Landsturm aufgebotene Landvolk.

"Wir sind Bauern von geringem Gut. Und dienen unserem Kurfürsten mit unserem Blut"

hatte der märksche Landsturm auf sein Feldzeichen geschrieben, als er vor der Schlacht bei Fehrbellin gegen die Schweden zog und wehe dem schwedischen Reiter, der in seine Hände fiel! Noch 1813 sah man unter der Landwehr viele solche Sensenmänner.

Der große Kurfürst hatte im Jahre 1655 an regulären Truppen nur 2 Kompagnien Garde zu Fuß, und 54 Mann zu Pferde, sowie 29 Garnison-Kompagnien in seinen Festungen unter den Waffen behalten. Die übrigen Truppen waren zur Zeit zum Teil wegen ihrer Unzuverlässigkeit und Widersätzlich aufgelöst.. Nun begann er nach dem Vorbilde anderer Staaten dauernde Regimenter aufzustellen. Hierdurch hob er seine Macht und sein Ansehen und war bald ein geachteter und gefürchteter, ein gesuchter und begehrter Bundesgenosse, aber stets treu seinem Wahlspruch:

"Gedenke, dass Du ein Deutscher bist!"

Auch befreite er damit seine Untertanen von der Landplage, die darin bestand, dass die entlassenen Söldner im Lande herumzogen und nicht nur das ihnen zustehende Bettelrecht oft in frechster Weise ausübten, sondern auch gelegentlich plünderten, sengten und raubten. War doch jeder Bauer verpflichtet, durchreisenden ehemaligen Soldaten Zehrung und einen Pfennig zu verabreichen. Dieses Bettelrecht hat sich lange erhalten und noch nach 1840 wurde in Österreich von Militär-Invaliden anstatt einer Pension verliehen.

Beim Tode des großen Kurfürsten bestand die Brandenburgische Armee, die auf ruhmreiche Feldzüge gegen die Franzosen am Rhein, gegen die Türken in Ungarn, sowie gegen die Schweden und Polen und auf die Siege von Fehrbellin und Wahrschau zurückblicken konnte, bereits aus der Leibgarde mit 12 Kompagnien, ferner 12 Regimentern zu Fuß, mehreren Garnisontruppen, einem Marine-Bataillon von drei Kompagnien, 2 Kompagnien berittener Trabantengarde, der Garde du Korps, 2 Kompagnien Grands Mousquetaires und 8 Regimentern zu Pferde, sowie einem Artillerie-Korps nebst Garnison-Artillerie. Die Generale Derflinger, der "der Schneidergesell") Sparr, Barfuß, Henniges von Treffenfeld hatten den Ruhm der brandenburgisch-preußischen Waffen gründen geholfen. Ihre Namen sind heut noch in den nach ihnen benannten Regimentern dem Andenken der Nachwelt erhalten.

Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm III., der am 18.Januar 1701 sich zum König in Preußen machte, erweiternde sich die Armee bedeutend. Ihre Uniformierung wurde farbenreicher und besser. Aber auch ihre Kraft und ihr Ruhm wuchsen weiter. Meist im Dinest, nicht für Preußen allein, sondern wie unter dem großen Kurfüsrten, für Kaiser und Reich erfochten Preußens Krieger oft unter dem Kommando des Prinz Eugen von Savoyen, herrliche Siege. Das Lied von Prinz Eugen, dem edlen Ritter ist heut als allbekannter Soldatensang der Preußischen Armee Zeugnis davon. Auf den Schlachtfeldern von Salankemen, bei Peterwardein, vor Ofen, bei Höchstedt, vor Landau, Kaiserswerth. Brügge, Gent, bei Oudenarde und Malplaquet, vor Namur und Charleroi, bei Zenta, Cassano und Turin, auf Rügen und auf vielen anderen berühmten Schlachtfeldern waren die Fahnen der Brandenburgisch-Preußischen Truppen entfaltet worden. reicher Siegeslorbeer war ihnen zuteilo geworden. Der Kaiser in Wien und Prinz Eugen waren in ihren Briefen an den König des Lobes voll über die Leistungen und Heldentaten der preußischen Truppen. Ende 1712 zählte die preußische Armee 9 Regimenter zu Pferde, 6 Dragoner-Regimenter, die damals zwar auch beritten waren, aber meist zu Fuß kämpften, 16 1/2 Regimenter zu Fuß, außerdem 32 Garnison-Kompagnien, im Ganzen über 36000 Mann.

Nun kam Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, mit dem alten Dessauer, dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau. Die Potsdamer Wachparade zog auf. Das Königs-Regiment der Riesengarde in Potsdam erstand. Der eiserne Ladestock wurde eingeführt. Es war eine Armee mit wunderbarer Disziplin, allerdings streng und rauh wie die damalige Zeit. Aber es bleibt das große Verdienst des oft verkannten Friedrich Wilhelm, nicht nur peinliche Ordnung und Sparsamkeit in das preußische Heerwesen gebracht zu haben, nein, auch der ganze Staat und vor allem die preußischen Finanzen, der ganze Beamtenstand, sie sind von ihm zu einer mustergültigen und heut noch ihm zu verdankenden Ordnung geführt worden. Dies hat auch sein Sohn Friedrich II., der Große, der so schwer unter der Strenge seines Vaters gelitten hatte, stets dankbar und gerne anerkannt. Mag man auch über Zopf und Perücke, die damals übrigens allgemein waren, spotten, Achtung flösste die preußische Armee doch sowohl dem Freund wie dem Feind ein. Seinem Sohne hinterließ der sittenstrenge und weise König Friedrich Wilhelm I. einen gefüllten Staatsschatz ein, wenn auch nicht nicht reiches, so doch im ganzen wohlhabendes, zur Arbeitsamkeit und Rechtlichkeit erzogenes Volk in geordneten bürgerlichen Verhältnissen, ein tüchtiges, schlagfertiges, gut ausgebildetes Heer von 75000 Mann, bestehend aus 76 Bataillonen Infanterie zu je 5 Kompagnien, 20 Regimenter Kavallerie mit 114 Schwadronen, 1 Bataillon Feld-Artillerie, 4 Kompagnien Garnison-Artillerie und 36 Garnison-Kompagnien. Außerdem hatte jedes Infanterie-Bataillon 2 Geschütze. Hierzu traten das Kadettenkorps, Ingenieure, Invaliden usw.

Friedrich der Große sollte bald zeigen, was die Armee, was Preußen leisten konnte. Und indem er Preußen zur Großmacht umschuf, Preußens Namen Achtung und Ruhm erwarb, bereitete er der Zukunft und Einigung Deutschlands den Weg. IN ganz Deutschland sang man nach dem Siege von Roßbach freudig das deutschen Nationalstolz endlich wieder atmende Lied:

"Und wenn der große Friedrich kommt

Und klopft nur auf die Hosen, So läuft die ganz Reichsarmee

Panduren und Franzosen".

Friedrich entließ gleich nach der Trauerfeier für seinen Vater dessen geliebtes Regiment, die teuere Riesengarde und verwendete die dadurch frei werdenden Mittel mit zur Vermehrung der Armee um 7 Regimenter zu Fuß und 3 Korps Husaren. Dann begann der erste Schlesische Krieg. Die Siege von Mollwitz und Czaslau gründeten den Ruhm des jungen Helden. Das Feldjäger-Regiment und mehrere Garnison-Regimenter und Bataillone, auch ein Ulanen-Regiment wurden gebildet, doch letzteres bald in Husaren umgewandelt. Aus dem Breslauer Stadt-Regiment wurde ein 7. Garnison-Regiment v. Rampusch bald auch Feldregiment. Der zweite Schlesische Krieg folgte mit der Einnahme von Prag und den Siegen von Hohenfriedberg und Soor. Die Friedensjahre bis 1756 benutzte der König zur weiteren Vermehrung der Armee. In Schlesien wurden (teilweise schon 1743) neue Regimenter Infanterie und 9 Husaren-Regimenter aufgestellt. Eine reitende Artillerie wurde geschaffen. Ein Drittel der preußischen Armee lag in schlesischen Städten in Garnison. Die Festungen Breslau, Brieg, Schweidnitz, Glatz, Neiße und Cosel wurden erbaut, Kriegsmaterial vorbereitet und aufgespeichert. Als dann der dritte siebenjährige Krieg um Schlesien ausbrach, belohnte sich diese Fürsorge. Unerwartet schnell war Preußens Heer gerüstet und die "affenartige" Geschwindigkeit der Preußen, die auch 1866 sich zeigte, verblüffte den Feind. Sachsens Armee wurde bei Pirna, nachdem sie vergeblich auf Entsatz durch österreichische Truppen gewartet hatte, gefangen genommen. Friedrich steckte die Sachsen in preußische Uniformen und bildete aus ihnen 10 Regimenter Infanterie, von denen aber so viel Leute, ja ganze Kompagnien desertierten, dass nach einem Jahr nur noch drei Regimenter vorhanden waren. Auch von diesen blieb nach dem Friedensschluss 1763 nur ein Regiment bis 1806 bestehen. Die anderen mussten abermals neu formiert werden.

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